Freitag, 16. Oktober 2009

Wein genießen

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Wer Wein wirklich genießen will, genießt es, mit allen Sinnen dessen Geheimnisse zu entdecken. Unterschiede wahrzunehmen, immer feinere Nuancen zu erschmecken, Weine mit Speisen zu kombinieren. Unsere Sinnlichkeit ist stimmungsabhängig, und so schmeckt nicht jeder Wein immer gleich. Manche Gesellschaft verlangt nach einem ganz bestimmten Tropfen, um die Stimmung zu heben, die ein anderer Wein nicht anregen will. Der Wein schärft - natürlich nicht im Übermaß - die Sinne, und er öffnet sie. Er weckt unsere Lebensfreude und macht uns kreativ. Gespräche werden durch ihn lebhaft und geistreich, sicher auch ausgelassen. Aus einer Tischrunde wird leicht eine fröhliche Gesellschaft...


Dem werden grießgrämige und belehrende Prediger nichts entgegen bringen können.

Eine gute Flasche Wein hat mehr Segen gebracht als wohlgemeinte Ratschläge. Über die Bedeutung des Weines für Kultur und Gesundheit ist viel Schlaues verlautbart worden, so dass ich mir Wiederholungen sparen kann. Nicht ohne Grund wurde er in allen Zeiten als etwas gefeiert, was unsere so wenig poetische Zeit schnöde mit dem Begriff "Kulturdroge" benennt. Und wenn Tucholsky bedauert, dass man Wein nicht streicheln kann, dann werden die dionysischen Dimensionen jedem weinseeligen Genießer sinnenhaft und (fast) begreiflich. Das mag auf zärtliche Weise geschehen, oder auch brachial eingefordert werden. Von Götz von Berlichingen ist folgende eindringliche Mahnung überliefert:

"Der Wein ist ein gar köstlich Nass,
wer ihm begegnet mit Feindschaft und Hass,
den woll'n wir als ein' Feinde erkunden,
und ihm das Haar am Arsch anzunden!"

So weit wollen wir es natürlich nicht kommen lassen. Zum Glück nehmen die Freunde offenbar weltweit zu. Leider auch die Panscher, die ein lukratives Geschäft wittern und uns eines der letzten natürlichen Produkte durch unlautere "Schönungen" verderben wollen. Billige "Konsumweine" sind keine Alternative zu handwerklich und ehrlich hergestellten Erzeugnissen kleinerer Winzer oder Genossenschaften. Es ist wie bei anderen Lebens- und Genussmitteln auch: eine gewisse Nähe zum Erzeuger verhindert Verantwortungslosigkeit und hemmungslose Geschäftemacherei.

Inzwischen ist ein gewisses Bewusstsein für ein solches Verbraucherverhalten gewachsen. Regionalisierung ist die Devise, die aber auch schon wieder verlogen ausgenutzt wird. Sicher gibt es weltweit gute und auch sehr gute Weine. Doch habe ich in den deutschen Weinbaugebieten in den letzten Jahren eine solche Vielfalt, ein solches Engagement und eine so geballte Kompetenz entdeckt, dass ich keinen Grund erahnen kann in die Ferne zu schweifen. Unsere Winzer stellen mich immer wieder vor Überraschungen und glänzen mit feinen individuellen Weinen, wie ich sie in dieser Fülle nirgendwo anders entdecken kann. Die Tendenz zu Etikettierungen wie "Selektion" und "Großes Gewächs" sehe ich zwar kritisch, aber natürlich ist mir auch klar, dass sich hier eine wiedererstarkte Winzerfraktion für Qualität und gegen Masse entscheiden will. Allerdings sind mir in der kurzen Laufzeit schon so viele Etikettenschwindel begegnet, dass ich auf solche Formen der Nobilisierung keinen großen Wert lege.

Das einzige wirkliche Kriterium für den Genuss ist nach wie vor die eigene Zunge, die eigene Nase. Und letztlich auch der eigene Geldbeutel. Nun mag ich geizig erscheinen, wenn ich unumwunden gestehe, dass ich lieber einen überragenden Wein unter den preiswerten entdecken möchte, als mir einen mittelmäßigen hochpreisig aufschwatzen zu lassen. Es ist so ungleich viel spannender, bei den Außenseitern und Newcomern Neues zu probieren, als sich mit dem Geldadel bei den ersten Adressen anzustellen und ausgezeichnete Weine abzunicken.

Es ist beruhigend zu sehen, dass gute Winzer nicht eitel sind. Erfreut über ein Kompliment sind sie sicher immer dann, wenn man den Wert ihrer Arbeit entdeckt. Und das macht beiden Seiten sehr viel mehr Freude als gechönte Weine zu enttarnen. Und habe ich einen Tropfen gefunden, der mir ein Lächeln auf die Lippen zaubert, dann ist mir der Preis sowieso ziemlich wurscht!

Wohl bekomm's!
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